Ich endete im letzten Post mt der folgenden Zusammenfassung. „Die Linien, die ich im Zustand des potentiellen Zitterns aufs Papier bringe sind aber unwillkürlich. Als solche haben sie scheinbar kein Subjekt, dessen Plan sie folgen. Sie machen etwas „Falsches“, und genau mit diesem „Falschen“ eröffnet sich mir ein Ausdrucksmittel mit einer eigenen Ästhetik.
Mal was anderes. So mein Plan“.
Nun. Ich weiß, dass ich, wenn ich so vor mich hin denke, durchaus auch mal in Sackgassen laufen kann. Und wenn dann jemand heftig mit dem Kopf schüttelt: Dann ist das mein Risiko. Ich muss also mich selbst immer mal wieder befragen, und da haben selbst mich meine letzten Sätze irritiert. Also noch ein Versuch mich selbst zu verstehen.
Dieses Subjekt, das die Bilder verantwortet, handelt nicht in der Weise, dass, es grenzensetzend begreift, sondern indem es entgrenzend berührt. Dafür braucht es einen Zustand des aus einem Nicht-Wollen sich ergebenden Geschehenlassens. Aber gibt es das auch, ein nicht-wollendes Subjekt. Ein Subjekt, das keine Ich-Botschaften sendet? Warum beginnt das Wort künstlerische Ausdrucksmittel so seltsam nach so etwas Missbräuchlichem zu klingen, nach einer Art Gewalt, die die Kreativität unter Druck setzt, der Kreativität ihre „Unschuld“ raubt? Heißt ein Künstler-Subjekt zu sein möglicherweise , dass ich, wenn ich eine Bildidee verfolge. durch meine Kunstfertigkeit am Kunstkörper, dem Bild, „Gewalt“ ausübe?
Wir starren auf das Künstler-Ich als den Quell des authentischen Kunstwerks. Aber wir existieren ja nicht nur als ein Ich, das sich in der Ontogenese entwickelt, sondern wir repräsentieren als Menschen zugleich ein Wir, in dem sich die phylogenetischen Bestände unserer Existenz äußern. Dieses tun sie jedoch nicht durch eine Intention, durch ein Wollen, durch ein Handeln, sondern durch ihr Sein. Mir kommt da das Wort „Aura“ in den Sinn, weil es sich bei ihm auch um eine Wirkmächtigkeit handelt, die kein Ziel verfolgt. Die „Aura“ eines Kunstwerks wären dann die phylogenetischen Anteile des Ichs, die in ein Kunstwerk eingehen. Ihre unmittelbare Wirkung auf den Betrachter beruht auf der Resonanz, die Familiarität, die das Äußere mit dem Inneren kurzschließt. Das ontogenetische Ich stünde für die gedankiche Konstruktion des Kunstwerks, die aber für sich nicht wirkt, Eine ästhetische Wirkung entsteht dann möglicherweise dadurch, dass die Ich- und die Wir-Anteile des Subjekts im KW eine besondere Verbindung eingegangen sind. Diese Verbindung stelle ich mir als Harmonie vor, als einen akkordartigen Zusammenklang.
Es gibt allerdings auch die Beobachtung, dass die reine Bild-Komposition, im Extremfall also auch eine mathematische Formel einen ästhetischen Reiz, eine ästhetische Wirkung haben. Vielleicht ist es die „Wahrheit der Formel“, die aus ihr leuchtet, die Harmonie von wissenschaftlicher Erkenntnis und Sein, die nicht durch eine subjektive Rezeption entmachtet oder ersetzt werde kann, der diese auratische Wirkung hervorbringt.
(Fortsetzung folgt)