der kleine könig von baltrum
Meine Familie ist fast jeden Sommer in einen längeren Urlaub gefahren. Meist fuhren wir an die Nord- oder Ostsee und einige wenige Male auch in die Berge, jedoch unter zunehmendem Protest der nach und nach wachsenden Kinderschar. Ich bin das Älteste von fünf Geschwistern und kenne somit die ganze Geschichte von Anfang an.
Vor langer, langer Zeit, also noch bevor ich zur Schule gehen musste, litt ich nach Aussagen meiner Mutter, die sie mir gegenüber im inzwischen verständigen Alter von 44 Jahren machte, unter einem Husten, den ich als Vater eines Sohnes, der unter dieser Erkrankung ebenfalls litt, als Krupp-Husten gerade kennenlernte.
Schon damals rieten in solchem Fall die Ärzte: fahren sie mit dem Kind an die See, das Reizklima dort wird ihm gut tun. So wurde auch meiner Mutter geraten und folglich fuhren wir im Sommer an die Küste. Mein Vater brachte uns mit dem Auto, es war ein VW-Käfer, bis zur Baltrum Fähre. Er half uns noch mit unseren Koffern aufs Schiff, dann ging er zurück an den Hafenpier. Meine Mutter und ich, meine kleine, zweieinhalb Jahre jüngere Schwester hat in meinen Erinnerungen von dieser Reise keine Rolle, standen am Heck und beobachteten das Ablegemanöver. Als sich die Fähre vom Hafen entfernte, winkten wir meinem Vater, der immer noch an der Pier stand und dem Schiff hinterher sah, lange zu, und seine Gestalt wurde kleiner und kleiner. Meine Mutter und ich übertrafen uns in Fernsichtigkeit, aber irgendwann mussten wir der Tatsache Tribut zollen, dass wir ihn nicht mehr sahen. Da war er bestimmt schon auf der Rückfahrt, weil er sich um sein Architekturbüro kümmern musste. Es waren die fünfziger Jahre, und überall ging es aufwärts, und wer den passenden Ehrgeiz hatte, konnte viel erreichen.
Auf der Insel angekommen, erfuhren wir, dass hier keine Autos fahren durften. Ein kleines Pferdefuhrwerk brachte uns und unser Gepäck zu einer Pension. Alle Wege waren aus Backsteinen gelegt, und boten gerade so viel Platz, dass zwei Paare aneinander vorbeigehen konnten, ohne sich loslassen zu müssen. Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob das schon damals meine Recheneinheit war, aber sie mag als Beschreibung aus heutiger Sicht ja durchaus funktionieren.
Einige Tage später sah ich dann noch eine andere Recheneinheit auf diesen Wegen über die Insel fahren, Es war ein winziges Feuerwehrauto, das einzige Kraftfahrzeug, das uns in unserem Urlaub begegnete. Natürlich brannte es nirgendwo. Aber ein Privileg muss auch genutzt werden.
Geblieben ist auch mein Gefühl, dass hier ein Auto nach der gegebenen Breite eines Weges konstruiert und nicht der Weg dem Gefährt angepasst worden war, das auf ihm fahren sollte. Welch eine Inspiration für die heutige Zeit. Wir brauchen nicht mehr Straßen, wir brauchen kleinere Autos. SUV Fahrer können hier mal versuchen mit zu denken, … und ja, es tut ein bisschen weh …. so wie die Themen Kreuzfahrten, Flugreisen … Aber das bringt mich jetzt vom Thema ab. Es wurde ein schöner Urlaub. Und hier rauchte ich meine erste Zigarette. Sie war aus Schokolade. Damals wurde so ein Bild vielleicht belächelt, aber aufgeregt hat es niemanden. Ich stelle mir gerade einen heutigen Kindergeburtstag vor und die gastgebende Mutter verteilt Schokozigaretten an die kleinen Gäste …. (Deckung!)