das HmH-archiv 1: ein atelierbesuch
Mit diesem Bild öffnet sich eine neue Kategorie dieser Website: das HmH-Archiv. Hier sollen Dokumente gesammelt werden, die einwandfrei belegen, was war bzw. was hätte gewesen sein können. Wir beginnen mit einer Wiederveröffentlichung des HmH Artikels aus der angeblich in Lüneburg beheimateten Hanse-Zeitung, und zwar der Wochenendausgabe vom 01.09.2018. Dieser Artikel gibt einen ersten Einblick in die (nicht zuletzt auch private) Welt des hausmeister-heuser, Ausdrücklich bedanken wir uns bei der Research-Abteilung dieser Website, der wir diese Wiederentdeckung zu verdanken haben. Gleichzeitig weist die Abteilung darauf hin, dass in der „Landeszeitung – für die Lüneburger Heide“ ein Vorläufer dieses Artikels mit der weitgehend gleichlautenden Überschrift : „Ein Atelierbesuch der besonderen Art“.erschienen ist. Es ging um eine ältere Dame, deren Hobby die Blumenmalerei ist, und die in Ermangelung von ausreichenden Verkäufen ihre gesamte Wohnung zur Bühne ihrer Bilder gemacht hatte. Es liege nahe, hier eine Inspiration für den im Folgenden abgedruckten Artikel über hausmeister-heuser zu sehen.
EIN WAHRER FREUND DER POP-ART
„hausmeister heuser“ malt mit Begeisterung und stellt seine Bilder bei sich daheim aus. Ein Atelierbesuch der besonderen Art.
Lüneburg.Freunde hatten mir berichtet, es gebe in Lüneburg einen Künstler, der etwas sehr Originelles mache. Genaueres konnten sie mir nicht sagen, nur dass ich mir seine Bilder unbedingt einmal anschauen müsse. War es nun das Sommerloch, das unsere Redaktion in diesen Wochen thematisch verarmen ließ oder etwas anderes, auf jeden Fall reichten die leicht rätselhaften Hinweise aus meinem Bekanntenkreis aus, mich vor einigen Tagen auf die Fährte des großen Unbekannten zu setzen, der sich „hausmeister heuser“ nennt, sehr wahrscheinlich ein Künstlername. Wo ein Wille und ein Internet vorhanden sind, ist die Lösung oft nicht weit entfernt, und so hatte ich, nachdem ich mich telefonisch kurz angekündigt hatte, im Handumdrehen die Einladung zu einem Besuch von „hausmeister heuser“ erhalten. Die Problemlosigkeit des gesamten Vorgangs, hatte mich etwas verunsichert.
Wenige Tage später stand ich vor der Tür eines Doppelhauses in gutbürgerlicher Umgebung, wo kaum etwas auf einen kreativen Geist hindeutete, es sei denn, man nähme den Blick in den Garten mit der überbordenden Blütenpracht zahlloser Rosen und Hortensien als einen versteckten Hinweis.
Die Begrüßung ist kurz und herzlich, auf meine hausmeister heuser Anrede reagiert er mit einem geradezu spitzbübischen Lächeln. Doch dann bietet er mir sofort das Du samt bürgerlichem Vornamen an und einen Sitzplatz im Wohnzimmer, das wir als erstes betreten. Mein hoffentlich nicht zu hungrig schweifender Blick bleibt an zwei größeren Bildern hängen, die mir vollkommen unbekannt vorkommen und dennoch mit solcher Selbstverständlichkeit die Wände zieren, dass sie nur von meinem Gastgeber stammen können.
Als habe er seit Monaten auf diesen Moment gewartet, beginnt er eine Art Selbsterklärung, die offenbar auch ohne die Fragen eines Interviewers auskommt. „Sie wollen sicher wissen …ja, ich bin ein Liebhaber moderner Kunst, insbesondere der Popkultur in ihrer Gesamtheit“, erzählt hausmeister – das ist unverkennbar. Jedes seiner selbstgemalten Bilder erinnert irgendwie in ihrer Wirkung auf den Betrachter an berühmte Vorbilder aus dieser Epoche. Nicht zuletzt ist es die Farbwahl, die diesen Eindruck hervorruft. Die aber hängt zusammen mit dem besonderen Handwerkszeug, mit dem die Bilder entstehen. „Wenn ich danach gefragt werde, hole ich mein Smartphone hervor, und rufe erst einmal ein ungläubiges Staunen hervor“, sprudelt es aus dem Künstler hervor, der erst vor knapp einem Jahr sein Talent entdeckte.
Grundlage seiner Malerei sind Fotos. Fotos, die die eigene Handykamera gemacht hat, oder auch manchmal Fotos aus dem Internet, aber, so fügt er bedauernd hinzu, die Copyright Regelungen seien so eng gestrickt, dass man da sehr vorsichtig mit umgehen müsse. Die Kollegen von der Musikfront seien da schon ein bisschen weiter. Hat er sich für ein Foto entschieden, beginnt er zunächst mit einem Prozeß der Übermalung, der aber gleichzeitig das vorhandene Bild in seiner Essenz festhalten soll. „Die Herausforderung besteht darin, aus den acht Farben, die das Handy mir anbietet, ein Bild zu malen, dass im Extremfall nicht eine dieser Farben in seinem Ausgangszustand tatsächlich enthält“. Auch weist hausmeister-heuser darauf hin, dass Schattierungen und Mischungen von Farbtönen, solange man diesen Rahmen akzeptiere, nicht möglich sind. Was aber auf den ersten Blick als Problem erscheint, wird in einer Art Umkehrschluss zur Stärke dieser Bilder. Ihre entschiedene, ja absolute Farbigkeit.
Während dieser spannenden Reflexion seiner Arbeitsmethoden, hat sich Heuser fast schon ein wenig ungeduldig aus seinem Sessel im lichtdurchfluteten Wohnzimmer seines Hauses, das er zusammen mit seiner Frau bewohnt, erhoben und bittet in den ersten Stock. Aber nicht nur das Malen ist hausmeister-heusers Leidenschaft, sondern auch die Musik. Davon zeugen die beiden Plakate im Treppenaufgang, die B.B. King und John Lennon zeigen, aber auch die Regale voller Cds, die das Arbeitszimmer bevölkern, das wir jetzt betreten. Mit einem gewissen Stolz zeigt er, dem meine Blicke offensichtlichlich nicht verborgen geblieben sind, auf eine Regalwand, die Bücher, Zeitschriften und Nachschlagewerke zur populären Musik enthält. Er habe da mal diese fixe Idee gehabt, sich mit Fragestellungen in diesem Bereich auch wissenschaftlich auseinander zu setzen. „Aber dann kamen unsere zwei Kinder“ kehrt er kurz danach wohlbehalten aus seinem alten Traum zurück. Schnell war die Zukunft des Paares zwischen den Beteiligten verhandelt. Man fand für die neue Situation die bis heute noch recht unkonventionelle Lösung, die Heuser zum Hausmann machte und seine Frau zur Versorgerin der jungen Familie. Grundsätzlich hat sich bis heute daran wenig geändert.
Auf mehrere Räume hat er seine Bilder verteilt, doch er weiß um die Grenzen seiner Ausstellungswut. „Meine Frau ermuntert mich zwar in meinen Bestrebungen, aber sie hat auch ein Recht auf hausmeister-heuser-bilderfreie Zonen“, gibt er sich konzessionsbereit.
Seit einem knappen Jahr ist er von dem Malvirus („man muss das wirklich so nennen“) befallen, wie er mit einem gewissen Erstaunen diagnostiziert. „Ich war erst zum Jahresanfang Besitzer eines Smartphones geworden, mehr aus Vernunftgründen denn aus Neigung. Als Schwimmunwilliger saß ich also im Spätsommer an der Ostsee im Strandkorb. Meine Frau, eine „seit Menschengedenken“ begeisterte Schwimmerin, „war ins Wasser gegangen und winkte mir zu, und ich versuchte mich an einem Foto“.
„Obwohl meine Frau letztendlich nur wenig Bildfläche einnahm“, so berichtet er weiter, enthielt dieses Bild immer noch genug Ostsee, um es für einen Urlaubsgruß zu qualifizieren. Unter Bildbearbeitung fand er die Kategorie Graffiti, und schrieb, mit dem Zeigefinger über das Display seines Handy gleitend, einen launigen Gruß an alle Familienmitglieder auf das Foto, das er sogleich über Whatsapp verschickte. „So fing es an“ sagt er mit Bestimmtheit. „Das Kind in mir war wieder aufgewacht und attackierte auch andere Fotos mit einer Mischung aus Albernheit und Neugier“. An den restlichen Urlaubstagen begann er den Prozess, der bis heute andauert, die Möglichkeiten und Grenzen des Mediums, die zunächst vor allem die eigenen Grenzen waren, auszuloten. Was zu Beginn nur Stricheleien sind, wird schon bald ein das gesamte Foto bearbeitendes Malen, ein Gestaltungsprozess, für den das Foto den Startschuss auslöst, dessen Ziellinie es aber nicht determiniert.
Auf diese Weise sind innerhalb eines knappen Jahres bis jetzt an die dreihundert Bilder entstanden, die trotz der Begrenztheit der Mittel und des Mediums eine erstaunliche Vielfalt der Zugänge und der Malweisen demonstrieren. Die flächige Charakteristik der Bilder bedeutet gerade nicht notwendigerweise eine Oberflächlichkeit auf der semiotischen Ebene. Manche entwickeln unter Zuhilfenahme einfacher, doch starker Symbole und geschickt gewählter Textfragmente eine geradezu magische Intensität ihrer Erzählung. Dass es oft gerade die Zitate von Pop- und Rocksongs sind, die dem Künstler in den Sinn kommen, macht die Sache auch auf der biographischen Seite rund. Denn oft haben diese Textzeilen im Kontext der Songs schon das geleistet, was auch die Bilder in ihrer Gesamtheit anstreben, eine kunstvolle Verdichtung der Realität des Erlebens und Fühlens beim Hörer resp. beim Betrachter. So gesellen sie sich dem Bild zu, das sie in ihrer Besonderheit bestätigt und durch sie seine Bestätigung erfährt.
Fast beiläufig erwähnt er seine Versuche, selbst Texte für Popsongs zu schreiben. Über die Jahrzehnte hatten Versuche in dieser Richtung seine kreativen Kräfte gebunden, aber bis auf wenige Ausnahmen, haben sie das Haus nicht verlassen, wo sie – Heuser spricht von ca. 200 bis 300 Songs – in unscheinbaren Ordnern ein Nachleben führen, dem kein Leben voraus gegangen ist. „Vielleicht sind sie einfach nicht gut genug“ sagt er nachdenklich, aber er scheint nicht vollkommen überzeugt vom eigenen harschen Urteil.
Mit der Handymalerei nimmt er also spät, aber vielleicht nicht zu spät einen Anlauf, seine Kreativität mit einem Publikum zu teilen. Es gibt ermutigende Momente, aber ein Durchbruch lässt noch auf sich warten. Vielleicht ist es eine fehlende klare Linie, die fehlende „Schublade“, vielleicht aber ist es die noch nicht kanalisierte Kreativität des Spätberufenen, die ihn heute Portraits malen lässt, am nächsten Tag Landschaften, dann wieder ist es die nur subtile Kolorierung von Fotos, die er selbst schießt, oder die ihm per Zufall in die Quere kommen und einen künstlerischen Impuls in ihm auslösen. Wir schauen uns noch einige Zeit um, und er erzählt zu einigen Bildern die Entstehungsgeschichten, die die oft überraschende Wandlung von etwas Bekanntem in etwas ganz Anderes, Neues schildern. Das Ergebnis dieses Transformationsprozesses aber wiederum hat eine Qualität, die für sich selbst steht.
Sie sollten diese Geschichten vielleicht auch einmal einem Publikum erzählen, ermuntere ich ihn. Er gibt sich skeptisch, gibt aber auch zu, dass irgendwann einmal eine eigene Website durchaus ihren Reiz für ihn hätte. Kommt Zeit kommt Rat, tritt er für den Moment die Flucht in einen Gemeinplatz an. Ich sage, dass ich ihm das wünsche, und ich meine das so. Wir trinken noch einen Cappuccino zusammen, kommen auch noch auf andere Dinge des Lebens zu sprechen, und verabreden einen update Termin, vielleicht schon im kommenden Jahr. Dann verabschieden wir uns und sagen Auf Wiedersehen. Ich hoffe, er meint es genauso ernst wie ich. Draußen scheint noch immer die Sonne, es ist noch immer sehr warm. Was für ein Sommer in diesem Jahr, denke ich, als ich ins aufgeheizte Auto steige. (Im August 2018)
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