Es ist wieder Vollmond Leute, und ich habe schnell noch ein Bild gebastelt aus einem anderen noch nicht von mir veröffentlichten Tageslichtbild. Die Basis ist ein Foto, das ich auf dem JazzBaltica Festival 2018 gemacht hatte. Zunächst galt der Blick meiner Kamera nur der Pianistin, dann bemerkte ich den Fotographen, der sich mit seiner bildgefräßigen Kamera näherte. Ich schwenkte meine Kamera so, dass ich beide Akteure im Bildausschnitt hatte. Als ich dann später das Ergebnis betrachtete, sah ich auch noch den Passanten, der sich von außen dem Geschehen genähert hatte und so unbekümmert von draußen hereinlugte, als seien optische Bahnen nicht immer auch in umgekehrter Richtung nutzbar.
Im gleichen Moment wurde mir auch bewusst, dass wir Zuhörer auch Glotzer waren, also die Musikerin eingekreist war von einer Vielzahl von Blicken. Dadurch kam ich auf die Idee, die Situation bildnerisch dadurch zu verschärfen, dass ich der Pianistin eine Brille und ein Blindenband am Oberarm dazu malte, ergänzt um die Formel für ein gesellschaftliches lebendiges Zusammentreffen als Bildtitel: Sehen und gesehen werden / see and be seen. Der in diesem Titel aufblitzende Zynismus scheint zunächst die Pianistin im Visier zu haben, doch lässt er sich auch als eine Kritik des alltäglichen Voyeurismus lesen, der sich seiner gnadenlosen Selbstverständlichkeit garnicht mehr bewusst wird.
Für das Vollmond-Bild hatte ich die Pianistin durch ein Mädchen am Klavier ersetzt, dessen Abbild (siehe gleich nebenan) ich Auguste Renoir entführt hatte. aber inzwischen habe ich dieses Mädchen für das Titelbild wieder zur Frau werden lassen, das Blindenstigma habe ich ihr allerdings ebenfalls verpasst und somit ist Renoir auch wieder weitgehend verschwunden. Im Moment beabsichtige ich aber auch auf dieses Bild noch mal zu einem anderen Zeitpunkt zurück zu kommen.