mal was anderes – the art of trembling
Nehmen wir mal den verständlichen Wunsch, dass ich einen Versuch unternehmen möchte, etwas Neues, etwas anderes mal ganz anders zu machen. Reden wir mal von einem Bild. Dann muss ich zunächst u.a. die offenen oder versteckten Konventionen identifizieren, die auf mich wirken. Wann ist ein Bild ein gutes Bild. Ich muss die Gültigkeit bestreiten, sie für mich außer Kraft setzen, gegen sie verstoßen und damit herausfordern. Die Reaktion auf die Herausforderung besteht im Allgemeinen in einer Aufforderung zur Anpassung. Geh zurück, drängt der angepasste Teil meiner Persönlichkeit. Geh zurück hinter die Schranke, die das Land des korrekten „künstlerischen“ Malens abgrenzt gegen das Land des „wilden“ Malens.. Um diesem Impuls widerstehen zu können, brauche ich eine Idee, eine kreative Lösung, wie ich die Bereitschaft des Betrachters, die Missachtung der konventionalisierten Ästhetik hinzunehmen, belohne mit dem ästhetischen Gewinn der bildgestaltenden Mittel der Missachtung, die ich wähle. Wenn dies gelingt, bleibt auch der Betrachter auf meiner Seite des Zauns, auf diesem unbekanntem Land stehen, und die Begegnung mit dem Bild wird zu einem Erlebnis.
Damit es mehr ist als eine Attitude, die nur als Marketinginstrument genutzt wird und schrill REBELLION und GENIALITÄT intoniert, muss ich Gründe für mein Handeln angeben, eine Logik der Abweichung..
„Du kannst ja noch nicht einmal einen geraden Strich ziehen“, bekam man schon mal zu hören, wenn man sich als Kind zu sehr an seinen eigenen Werken berauschte und ankündigte, ein großer Künstler werden zu wollen. Ein zu positives Selbstbild war gerade nicht en vogue damals. Auch dem gesunden Selbstvertrauen ging es damals nicht besser. Stellten Kinder dieses zur Schau, nannte man sie schnell vorlaut, frech oder anmaßend. Dabei vergaß man, dass hier Kinder sprachen, die ihren eigenen Blick auf die Welt haben. Kinder kennen diese Begriffe noch garnicht in ihrer vollständigen Bedeutung, und haben erst recht keine Vorstellung davon, auf welche gesellschaftlichen Erfahrungen eine Konvention sich gründet bzw. reagiert..
Der Satz mit dem geraden Strich kam mir wieder in den Sinn, als ich wie üblich, einen meiner Ausdrucke der letzten Zeit vor mich auf den Tisch legte, um ihm noch „etwas Signifikantes hinzuzufügen“, wie ich einmal (siehe: ) diesen Teil meines Bildermachens genannt habe. Ich blickte auf viele gerade Linien, wie sie mühelos entstehen, wenn man am Rechner oder auf dem Handy produziert. Ich lasse mich dann beim Hinzufügen, wie dem Kolorieren des Handyausdrucks treiben. Zum Beispiel dopple ich zunächst nur, was schon da ist. Also zog ich in diesem Fall eine Linie mit einem Edding Stift nach, wodurch eine Art Schattenlinie entstehen sollte.
Es passierte schon gleich am Anfang. Meine Hand tat, was sie immer mal wieder tut, wenn ich sie nicht mit ganzem Bewusstsein führe. Sie verließ die vorgedruckte Linie und bewegte sich wie von einem eigenen Ziel beseelt. Der Versuch des Gegensteuerns schien zunächst erfolglos, dann aber führte er zu einem Übersteuern. Meine Hand mit dem Stift wechselte die Seite. War sie anfangs nach rechts gewandert, überquerte sie jetzt die Linie auf die linke Seite und folgte im Anschluss nur widerwillig der vorgegebenen Linienführung. Nun ja dachte ich – es war nicht zum ersten Mal passiert – das wird es in Zukunft immer wieder mal geben. Es sind meine Untermieter, dieser Parkin & Sohn, die seit ein paar Jahren in mir wohnen, und die mich in diesem Leben nicht mehr loslassen werden. Ich habe akzeptiert, dass es so ist. Doch diese gelegentlichen Willkürlichkeiten meines Nervensystems werden auftauchen und sich in mein Bildermachen einmischen. Ich würde immer Anteile an der Gestaltungsentscheidung behalten. Ich würde die Farben und die Pinsel, auch weitgehend den Augangspunkt der finalen Gestaltungshandlung wählen. .Es wäre nicht immer so, aber doch immer wieder, und vielleicht/mit großer Wahrscheinlichkeit in Zukunft immer öfter. Während ich also konstatierte, dass genau dies meine Zukunft sein würde, begann ich zu ahnen, dass dieser Umstand mir genau das anbot, wonach ich suchte. eine Bildästhetik, die aus „dynamischer Krakelei “ entsteht, die einen authentischen Bezug zu dem gegenwärtigen Zustand meiner menschlichen Existenz herstellt. Die Idee ist dabei: Wehre dich nicht gegen das Unabwendbare sondern: G0 WITH THE FLOW.
Obwohl ? Ein anderer Gedanke.
Im Allgemeinen nimmt man bei einem Kunstwerk an, dass alles, was es zeigt, so und nicht anders vom ausführenden Künstler gewollt war. Der Künstler, so das allgemeine Verständnis von der Tätigkeit und Aufgabenstellung von Kunsthochschulen, soll den angehenden Künstler in die Lage versetzen, über seine Performance willkürlich verfügen zu können. Das Kunstwerk ist so, wie es ist, genau so, man könnte auch sagen deckungsgleich mit der Idee, dem Konstrukt, wie es in der geistigen Vorstellung des Künstlers präexistierte. Diese Rezeption von Kunst sieht im Werk die Manifestation einer ausdifferenzierten Idee. Der Künstler fertigt dann eine Kopie seiner Idee für die Außenwelt. Die materielle künstlerische Tätigkeit ist keine ergebnisoffene kreative Handlung, sondern die kunsthandwerkliche Anwendung einzigartiger individueller Fertigkeiten.
Die Linien, die ich im Zustand des potentiellen Zitterns aufs Papier bringe sind aber unwillkürlich. Als solche haben sie kein Subjekt, dessen Plan sie folgen. Sie machen etwas „Falsches“, und genau mit diesem „Falschen“ eröffnet sich mir ein Ausdrucksmittel mit einer eigenen Ästhetik.
Mal was anderes. So mein Plan.