Es war der Heiligabend 2017 am frühen Morgen. Meine Tochter und ihr Freund machten sich auf den Weg, um von Köln nach Lüneburg zu fahren, Es war kurz nach fünf und die Helden des Frühaufstehens schickten das Foto einer von Menschen verlassenen S-Bahn Station. Dieses Foto gefiel mir. Ich hatte ein bisschen Zeit und malte gleich drauf los. Dieses Bild ist eins meiner ersten, das keine Personen darstellte, sondern Gegebenheiten. Und gleich hier habe ich mich auch schon von den Gegebenheiten gelöst. Eigentlich blieben nur die Fluchtlinien, während die Gebäude immer mehr ein Eigenleben bekamen, und der Kölner Dom war nirgendwo zu sehen und der Mond erst recht nicht. Man kennt das inzwischen von mir. Ein wenig rough dieses Bild, aber ich mag es noch immer.
Spring nicht auf jeden Bummelzug
Es gibt da diese Geschichte von dem Freund eines Freundes, oder dem Freund dieses Freundes o.ä. Im Kern soll es aber eine wahre Geschichte sein. Er hatte ihm im Vertrauen erzählt, er sei am letzten Wochenende seinem Ruf als Eroberer wieder einmal gerecht geworden. Er habe diese junge Frau (Vielleicht sagte er auch junges Mädchen, er selbst ist nicht mehr ganz so jung) herausgepickt, das ihn an diesem Abend besonders interessierte, hätte sie erfolgreich umworben und sie wäre mit ihm zu seiner Wohnung und dort auch mit in sein Bett gekommen. Es wäre zu wenig aufregenden sexuellen Handlungen gekommen, und er wäre daraufhin eingeschlafen.
Als er in der Morgendämmerung erwacht, auch seine Blasenfunktion zeigt offenbar erste altersbedingte Schwächen, sieht er die junge Frau in seinem Bett liegen und das fahle Morgenlicht gewährt dem ruhig und tief atmenden Körper nicht die Gnade, die das Kerzenlicht und seine eigene, alkoholisch bedingte Wahrnehmungstrübung dem mitternächtlichen Moment zugestanden hatten, und aus dem nichts heraus formt sich in seinen Gedanken die Formulierung, er habe neben einem Wal gelegen. Er stellt zugleich eine Amnesie fest. Die ihn bedrängende Frage, warum es gerade diese Frau in dieser Nacht hatte sein sollen, lässt ihn in ratlosem Schweigen, das sich zu einem Schwindelgefühl verdichtet, zurück. Er setzt sich auf den Stuhl, der beim Bett steht. Um ihn herum liegen die Textilien verstreut, die in lächerlicher, wie er es im Rückblick empfindet, Rauschhaftigkeitssimulation eilig abgestreift worden waren. Sein nächtliches Begehren scheint ihm schon nach den wenigen Stunden, die seitdem vergangen sind, genau den Hohn und Spott zu verdienen, der ihm von seinem besseren Ich entgegen schlägt. Flucht. Er kann nichts anderes denken. Er versucht möglichst lautlos seine Kleidungsstücke auf zu sammeln, schleicht zur kleinen Küche seiner Wohnung, nimmt den Hausschlüssel vom Tisch und verlässt umgehend die Wohnung. In diesem Fall muss eine sms im Laufe der nächsten Stunden reichen, beruhigt er aufkommende Schuldgefühle. Die Befürchtung, sie könne durch irgendeinen Zufall aufwachen, bevor er aus der Tür ist, macht ihn für einen Moment panisch.
Auf der Straße angekommen, kehrt mit dem Kältehauch der frischen Morgenluft auch sein Denkvermögen zurück. Doch in seinem Kopf drehen sich Gedanken und Empfindungen wie in einem Hamsterrad.
Die bedingungslose Liebe, die er sich erträumt, und die zu finden er immer wieder jedes Wochenende aufbricht, ist zugleich sein größter Feind. Er traut ihr nicht, weil er sie nicht kennt, und er lernt sie nicht kennen, weil er ihr nicht traut. Die Verstetigung der Liebe würde ihn genau um den Moment der Gratifikation bringen, der jedes Wochenende in der vergänglichen Sekunde entsteht, wo ein fremdes Wesen seinem Werben nachgibt, ihm seine Macht bestätigt, jederzeit die Grenze zu übertreten, hinter der er die Gesten der Zuwendung erfährt, die er als Kind nie bekommen hat. Doch obwohl ihn die Zuneigung durch einen anderen Menschen glücklich machen könnte, wählt er doch jedesmal am Ende wieder die Macht, die ihm durch die Gewissheit seiner Verführungskunst verliehen wird. Dadurch muss er sich nicht etwas anderem, mit der ständig empfundenen Gefahr des Scheiterns, ausliefern, sondern bestätigt sich allein durch das eigene Handeln, mit dem ihm in den wachen Momenten einer Nacht oder eines Wochenendes die Steigerung seines Selbstwertgefühls gelingt. Welch süßer Triumph, welch eitler vergänglicher Rausch. Der Akt der Verführung lässt sich aber nicht wiederholen, es bleibt nur die Wiederholung des Aktes. Die Fokussierung der Beziehungsidee auf den Eros ist eine zirkuläre Farce, weil sich der Blick immer auf das eigene Empfinden richtet, das hauptsächlich auf das Erregungspotential von Fremdheit setzt. Jede gelungene Verführung ist der Anfang vom Ende der Fremdheit und der Kick dieser Augenblicke wird zu einer Sucht, die durch keine dauerhafte Beziehung mehr substituiert werden kann. Was also dann? Und, ist es nicht wirklich so ? Oder ist auch eine Beziehungsidee denkbar, die auf gegenseitiger Zuwendung basiert, die ein WIR anstrebt, Sexualität als Intimität erfahrbar macht. In der Diktion, die Anleihen bei einigen Begriffen heutiger Konfliktszenarien macht: während die Verlockungs & Verführungserotik auf Ungleichheit und einer unbegrenzten Verfügbarkeit von Rohstoffen basiert, erscheint die um Intimität zentrierte Partnerschaft geradezu klimaneutral und nachhaltig, weil die Neugier auf die auch sexuelle Persönlichkeit der Partnerin / des Partners systemimmanente Energien verwendet, und nicht im sozialen Leben der anderen wildert … so weit, so gut.
Dieser Text hat nicht den gleichen Protagonisten wie der an dieser Stelle ebenfalls wiedergegebene Song, aber das Nachdenken über ihn, brachte den Song ins Rollen. Er endet gleichwohl wesentlich hoffnungsvoller.
Don’t Jump On Every Slow Train
I’m in need of some affection / of one good word or two / since the day that you have left me / I can’t help feeling blue
the ones that once were good friends / have vanished in a mist / nobody’s there to talk to me / had so many nights like this
last day i called my mother / she seemed my last resort / boy, she said, if you want advice / I’ll cut this story short
refrain : Don’t jump on every slow train / if you’re on your way back home/ sometimes it is worth waiting / on a another train to come / don’t jump on every slow train / protect your heart and soul / take the train named love & passion / to find the one that makes you whole
women seem to smell I am hungry / they grab me like a steal / but I don’t like the way they look / and don’t like how I feel
last night I ended up in some bed / felt her flesh and heard her sounds / it felt like b-movie time for me / while she thought love was found
woke up it’s dark, back on my feet / everything had taken wrong turns/ I was on the run from too much love / while my fires inside still burned
across the lane, the park at dawn / I sat down on a dewy bench / and I recalled what mother said / birds watched me from a fence
Don’t jump on every slow train / if you’re on your way back home / sometimes it’s worth waiting / on a later train to come / don’t jump on every slow train / beware your heart and soul / take the train named love & passion / to find the one that makes you whole
from my eyes some tears were running / still felt the hurt, the pain / but felt sure too about what I want / yes’o yes I’ll fall in love again
Won’t jump on every slow train / when I’m on my way back home / sometimes it’s worth waiting / on a later train to come / won’t jump on every slow train / I’ll beware my heart and soul / my train will be love & passion / and I’ll find you who makes me whol
Spring nicht auf jeden langsamen Zug
(zum Verständnis, keine Nachdichtung)
Ich brauche dringend etwas Zuneigung / vielleicht ein oder zwei gute Worte/ denn seit dem Tag, an dem du mich verlassen hast / ich kann mir nicht helfen, mir gehts beschissen.
die, die einst gute Freunde waren / sind in einem Nebel verschwunden / niemand ist da, der mit mir spricht / habe so viele Nächte wie diese verbracht
gestern habe ich meine Mutter angerufen / sie schien mir der letzte Ausweg zu sein / Junge, sagte sie, wenn du einen Rat willst / Ich werde diese Geschichte kurz zusammenfassen.
Spring nicht einfach auf jeden langsamen Zug / wenn du auf dem Weg zurück nach Hause bist / manchmal lohnt es sich zu warten / bis ein anderer Zug kommt / spring nicht auf jeden langsamen Zug / Schütze dein Herz und deine Seele und / nimm den Zug namens liebe & Leidenschaft / um die zu finden, die dich heilt und mit dir versöhnt
Frauen scheinen zu riechen, dass ich hungrig bin / Sie greifen nach mir wie nach einem Sonderangebot / aber ich mag es nicht, wie sie aussehen / und es gefällt mir nicht, wie ich mich dabei fühle.
gestern Abend landete ich in einem Bett / fühlte ihren Körper und hörte die Geräusche / es fühlte sich für mich wie B-Movie an / während sie gleich dachte, dass sie die Liebe gefunden hatte.
im Dunkeln aufgewacht, wieder auf den Beinen / alles war falsch gelaufen / ich war auf der Flucht vor zu viel Liebe / während die Feuer in mir immer noch brannten.
über die Straße, den Park im Morgengrauen / setzte mich auf eine taufeuchte Ban / und ich erinnerte mich daran, was Mutter sagte / Vögel beobachteten mich von einem Zaun aus.
Spring nicht einfach auf jeden langsamen Zug / wenn du auf dem Weg zurück nach Hause bist / manchmal lohnt es sich zu warten / bis ein anderer Zug kommt / spring nicht auf jeden langsamen Zug. / schütze dein Herz und deine Seele / nimm den Zug namens liebe & Leidenschaft heißt / um die zu finden, die dich heilt und mit dir versöhnt
aus meinen Augen liefen einige Tränen / Ich fühlte immer noch die Wunde und den Schmerz / aber ich war mir auch wieder sicher, was ich will / und ja, ich werde mich wieder verlieben / werd nicht einfach auf jeden langsamen Zug aufspringen /wenn ich auf dem Weg zurück nach Hause bin / manchmal lohnt es sich zu warten / bis ein anderer Zug kommt.
werde nicht auf jeden langsamen Zug springen / werde mein Herz und meine Seele schützen / werde den Zug nehmen der liebe & Leidenschaft heißt / um die zu finden / die mich heilt und mit mir versöhnt