travemünde
Es war Winter und es war früh dunkel geworden. Wir hatten unser Abendessen in einem nur wenige Schritte von unserem kleinen Hotel entfernten Restaurant eingenommen, von dessen Fensterplatz meine Frau und ich einen traumhaften Übergang von spätem Tageslicht in die Abenddämmerung genießen konnten. Auch das von uns beiden ausgewählte spartanische Menü eines ordentlichen Pastagerichts hatte dabei nicht gestört. Als wir schließlich wieder in die klare kalte Luft hinaustraten, beschlossen wir den Abend mit einem Spaziergang auf der Uferpromenade ausklingen zu lassen. Am Horizont sah man noch die Lichter eines Schiffes, das vor kurzem den Hafen Richtung Schweden oder Norwegen verlassen hatte, Die Promenade war durch eine lange Reihe der neuen LED-Laternen, die in den letzten Jahren überall da aufgetaucht waren, wo eine repräsentative Außenfläche neu gestaltet werden musste, in seidene Helligkeit getaucht. Es dauerte nicht lange und wir erreichten die hölzerne Seebrücke, die schon bei Tageslicht ihren Reiz entwickelte, jetzt aber lockte sie uns mit einem malerischen, auf die See hinauslaufenden Lichterband, das kleine Strahler an den Pfosten der Brückenbrüstung erzeugten. Ich hatte den Wink verstanden und hielt den Anblick mit einem schnellen Foto fest. Dann wagten wir die ersten Schritte auf die hölzernen Bohlen, wo die kleinen Lichtkegel der den Weg säumenden Lampen uns die Richtung wiesen, der trotz der Illumination geradewegs in die abgründig blaue Dunkelheit über dem Wasser zu führen schien.
Am Ende des Weges, auf die Brüstung gestützt, schauten wir auf die See und wunderten uns darüber, das auch jetzt noch Schiffe, den Hafen verlassend oder ansteuernd, um diese Uhrzeit unterwegs waren. Die Wellen schmatzten und glucksten gegen die im sandigen Grund verankerte Stegkonstruktion. Die kühle Brise und die aufkommende Müdigkeit ließ uns frösteln. Wir nahmen uns in den Arm. Die See macht was mit den Menschen, dachte ich.
Zurück im Hotel waren wir sofort nach dem Zubettgehen in einen tiefen Schlaf gefallen. Ich wachte mitten in der Nacht auf. Kann man Dunkelheit malen, dachte ich? Die Nacht ist nicht schwarz, dachte ich. Sie ist blau. Ich warf mir eine Wolldecke über die Schultern, nahm das Handy vom Nachttisch und sah mir die Fotos vom Abend an. Es würde mein erstes Bild über die Nacht werden. Der Himmel hellte schon auf, als ich mich endlich ins Bett legte.